In einer Unterrichtsreihe im katholischen Religionsunterricht der 8b/c, die Feste und Riten des Erwachsenwerdens im Christentum und Judentum verglich, entwickelten sich Fragen nach jüdischem Leben, das es auch einmal in Kalkar gegeben hatte. Auf Wunsch der Schülerinnen und Schüler begaben sie sich mit der Stadtführerin Frau Meurs auf die Spuren der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Kalkar. Sie lernten kennen, wo z.B. die Familien Spier, Spanier, Isaak, Schürmann, Vyth und Stern lebten und welche Berufe sie ausübten. Sie betrachteten ihre ehemaligen Häuser und verweilten am Platz der 1938 zerstörten Synagoge. Besonders interessant war auch der Besuch des jüdischen Friedhofes. Dort erklärte Frau Meurs die Bedeutung der Symbole „Kanne“ und „Schmetterling“ auf den Grabsteinen und den Friedhof als „Haus der Ewigkeit“. Die Schülerinnen und Schüler erfuhren vom Kaddisch, dem täglichen Lobpreisgebet Gottes, das außerdem zum Totengedenken und am Grab gesprochen wird.
Beim Gang durch die Stadt lasen sie die Inschriften der Stolpersteine. Unfassbar ist für die Schülerinnen und Schüler, dass so viele Juden aus Kalkar durch die Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden und die jüdische Gemeinde aufhörte zu existieren.
Aus diesem Grund beteiligten sich die Schülerinnen und Schüler am 27. Januar, dem Gedenktag für die Holocaustopfer, an der Gestaltung der Kranzniederlegung:
Im Beisein von Ratsvertretern, Vertretern der Kirchen und der Feuerwehr legte Bürgermeisterin Dr. Britta Schulz einen Kranz am Gedenkstein für die jüdischen Bürger der Stadt und die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nieder und erinnerte an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar des Jahres 1945.
Die folgenden Texte haben die Schülerinnen und Schüler selbst formuliert und nacheinander vorgetragen:
„Wir denken heute an alle Opfer des Nationalsozialismus, an alle , die in dieser Zeit ermordet und gefoltert worden sind und an alle, die in dieser Zeit ihre Familie verloren haben. Alleine aus Kalkar wurden 38 Juden ermordet. Auch in Kalkar wurden in dieser Zeit durch die Menschen, die damals lebten, Familien vertrieben, Familienmitglieder verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Große, unfüllbare Lücken wurden hinterlassen.“
Doch wir sollten nicht wegschauen vor dem, was damals passiert ist, denn es ist unverzeihlich. Wir sollten diese Geschichte als Mahnung sehen und uns dafür einsetzen, dass so etwas nie wieder passiert. Es ist wichtig, dass wir an diese Zeit erinnern und auch heute nicht wegschauen, denn damals begann es auch mit der Ausschließung und Diskriminierung von anderen. Sogar Kinder mussten sich erst als Juden kennzeichnen, dann durften sie nur noch mit anderen Juden in die Schule gehen.
Wir erinnern heute an den 27.Januar 1945, den Tag, als die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz erreichte und rund 7000 schwer kranke Überlebende befreite. Auschwitz steht für den Massenmord an europäischen Juden und für das Leid von Millionen anderen Menschen, die vom Nazi-Regime verfolgt und umgebracht wurden.
Es ist nun 77 Jahre her, dass die Konzentrationslager befreit wurden und die Macht der Nationalsozialisten ein Ende hatte. Heute denken wir an die Opfer des Nationalsozialismus.
Als Hitler an der Macht war, wurden über 6 Millionen Juden in Europa in Konzentrationslagern umgebracht. Menschen, die verhindert haben, Juden zu finden oder diesen geholfen haben, mussten Angst haben, getötet zu werden.
Freunde und Familie wussten meist Wochen oder sogar Jahre lang nicht, ob die Angehörigen verstorben sind, oder ob sie noch lebten. Wir trauern um jede einzelne Seele, obwohl wir die Person nie kennengelernt haben. Wir trauern um sie, weil ihr Tod ein Verbrechen war. Keiner hat es verdient, so zu sterben und zu leiden, wie die Opfer es taten. Heute ist es zwar nicht perfekt, aber Menschen verschiedener Religion und Hautfarben könnten heute friedlich miteinander leben. Hier in Kalkar, in dieser Stadt, in der wir hier stehen, lebten mehrere Jüdische Familien: Familie Spier, die Familien Vyth, Familie Cohen, Familie Stern, Familie Elkan, Familie Spanier, Familie Schürmann, Familie Isaak und noch weitere Familien wurden durch die Nationalsozialisten zerstört.
Die Situation damals war sehr hart und Juden hatten kaum Möglichkeiten und wurden sehr sehr ungerecht behandelt. Heute leben zum Glück wieder Juden in Deutschland, Bürger wie ich und du. Leider noch immer nicht in Kalkar. Wir denken an die abgebrannte Synagoge und dem daraus geretteten Leuchter, der siebenarmigen Menora, die wir im Stadtmuseum gesehen haben.
Wir denken an alle Opfer, an alle für die die Tage unerträglich wurden, da sie ihre Berufe nicht ausüben konnten, eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit hatten. Bei einem Rundgang durch die Stadt Kalkar haben wir viel über die jüdischen Familien erfahren, auch, dass Juden und Christen in Kalkar vorher gut zusammenlebten, dies sich dann aber schnell geändert hat, als die Nationalsozialisten das Sagen hatten. Wir lernten auch viel über das Leben der Juden, darunter auch , dass Familienangehörige und Freunde nicht ohne Angst Tote beerdigen konnten, später selbst ermordet wurden.
Wir wissen, dass es immer noch Rassismus und Verurteilung gibt und auch heute Synagogen angegriffen werden. Deshalb hoffen wir, dass sich das ändert.Auch heute findet man noch Spuren von Rassismus und Nationalsozialismus in Deutschland. Die Geschichte sollte nicht verdrängt, sondern gehört werden, damit Vergangenes nicht wieder geschieht. Deshalb sollte man nicht still sein, wenn man etwas davon mitkriegt, denn aus Worten werden Taten.“
Zum Abschluss der Veranstaltung spielte Mika Engels aus der Q2 ein bewegendes Trompetensolo.
Fotos: Copyright B. van Nüß