Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten und Nachteilsausgleich am JJG (Stand 28.8.2019)
Die grundsätzliche Verpflichtung aller Schulen zur individuellen Förderung bestimmt sich durch § 1 (1) des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, das zudem im § 2 (9) festlegt, dass „Schülerinnen und Schüler mit Entwicklungsstörungen oder Behinderungen besonders gefördert werden, um ihnen durch individuelle Hilfen ein möglichst hohes Maß an schulischer und beruflicher Eingliederung, gesellschaftlicher Teilhabe und selbstständiger Lebensgestaltung zu ermöglichen“.
Durch die Zuständigkeit der Länder fallen die Regelungen zur Förderung von Lese- und Recht-schreibschwierigkeiten in den Bundesländern sehr unterschiedlich aus. Für Nordrhein-Westfalen bindend ist der Runderlass des Kultusministeriums vom 19. 7. 1991 „Förderung von Schülerinnen und Schülern bei besonderen Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und Rechtschreiben“ (BASS 14 – 01 Nr. 1)
Auch die Ausbildungsordnung der Sekundarstufe I (APO-SI, § 3) benennt, dass jede Schülerin und jeder Schüler ein Recht auf individuelle Förderung hat und verpflichtet alle weiterführenden Schulen dazu, ein schulisches Förderkonzept zu erarbeiten, das im Rahmen der Bestimmungen für den Unterricht in den Schulformen Maßnahmen der inneren und der äußeren Differenzierung umfasst.
Der LRS-Erlass formuliert Abweichungen von der üblichen Leistungsfeststellung und Leis-tungsbeurteilung mit den Zielen, den Schülerinnen und Schülern eine ihren (trotz LRS) intellek-tuellen Fähigkeiten angemessene Schullaufbahn zu ermöglichen, ihre seelische Verfassung zu schützen und ihre Motivation zu erhalten. Der Erlass nennt Möglichkeiten für die Anwendung eines Nachteilsausgleichs. Die Gewährung eines solchen Nachteilsausgleichs dient der Kompensation der durch den Förderbedarf entstandenen Nachteile und stellt keine Bevorzugung des jeweiligen Kindes dar. Unbeachtet der pädagogischen Verpflichtung, Hilfemaßnahmen zu gewähren, besteht ein Rechtsanspruch auf eine ganz bestimmte Ausgleichsmaßnahme jedoch nicht.
„LRS“ steht für die Diagnose einer „Lese-Rechtschreibstörung“ nach den ärztlichen Kriterien des ICD-10 (International Classification of Diseases). Das bedeutet, dass eine schwache Lese- und Rechtschreibleistung besteht, die deutlich von der Intelligenzleistung abweicht.
Anspruch auf Förderung in der Schule haben alle Kinder, bei denen „besondere Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und Rechtschreibens“ festgestellt werden. Der Erlass verwendet für diese Kinder dennoch das Kürzel „LRS“, definiert dies jedoch nicht als Lese- / Rechtschreibstörung, sondern als Lese- und Rechtschreibschwierigkeit. Die Schule ist in der Pflicht, eine Diagnose vorzunehmen und diese Kinder zu fördern.
Die Feststellung treffen Lehrerinnen und Lehrer, die im Fach Deutsch ausgebildet sind (vgl. Erlass, Abs. 3.2.). Für die Erfassung der Rechtschreib- und Leseleistungen bieten sich standardisierte Rechtschreib- und Leseleistungstests (Lesegeschwindigkeit und Verständnis) an. Ein bestimmtes Testverfahren oder gar eine standardisierte Testdiagnostik sind nicht vorgeschrieben. Die Diagnose – so der Erlass – kann auch über die Beobachtung und Reflexion im Unterricht vornehmlich im Fach Deutsch erfolgen.
Bei der Bildung der Gesamtnote im Fach Deutsch ist der Anteil des Rechtschreibens zurückhaltend zu gewichten.
In den Zeugnissen kann in der Rubrik „Bemerkungen“ aufgenommen werden, dass die Schülerin oder der Schüler an einer zusätzlichen LRS-Fördermaßnahme teilgenommen hat. Wird wegen eines diesbezüglichen Nachteilsausgleichs keine Note im Lesen und/oder Rechtschreiben erteilt, so wird dennoch eine Gesamtnote Deutsch gebildet. Auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern kann in diesem Fall unter „Bemerkungen“ aufgenommen werden, dass bei der Schülerin oder dem Schüler besondere Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben festgestellt worden sind und daher auf die Benotung verzichtet wird. Das Gewähren des Nachteilausgleichs und die Teilnahme an Fördermaßnahmen werden von den jeweils zuständigen Koordinatorinnen in der Schülerakte dokumentiert.
Bei Entscheidungen über die Versetzung oder die Vergabe von Abschlüssen dürfen die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben nicht den Ausschlag geben.
Der Fachkonferenz Deutsch oblag die Entwicklung einer gemeinsamen Regelung am JJG. Laut Beschluss zum Umgang mit „LRS“ (Oktober 2014) wird zu Beginn der 5. Klasse die Testung aller Kinder mit Hilfe der normierten HSP (Hamburger Schreibprobe) durchgeführt.
Kindern wird ein Nachteilsausgleich in Form einer Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistung gewährt. Dieser Nachteilsausgleich gilt für die Erprobungsstufe. Die Kinder werden verpflichtet, an dem LRS-Kurs der Schule oder einer dokumentierten außerschulischen professionellen LRS-Förderung teilzunehmen.
Der Nachteilsausgleich der Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistung bezieht sich auf alle Fächer (vgl. dazu auch BASS 14-4).
Die Eltern der Kinder werden von der Erprobungsstufenleiterin über die Testung, die Gewährung des Nachteilsausgleichs und die Verpflichtung zur Teilnahme am LRS-Kurs der Schule oder an einer außerschulischen professionellen LRS-Förderung informiert. Die Namen der Kinder, die den Nachteilsausgleich bekommen, werden auf einer Liste im Lehrerzimmer ausgehängt. Die Erprobungsstufenkoordinatorin bzw. die Mittelstufenkoordinatorin (ab Klasse 7/Sek. I) informiert die Klassenlehrer/innen, diese geben die Informationen in geeigneter Form an die Fachlehrer/innen weiter.
Kinder haben ein Anrecht auf zusätzliche Förderung in einem Lese-Rechtschreibkurs, den die Schule anbietet. Die Teilnahme an diesem LRS-Kurs wird von der das jeweilige Kind unterrichtenden Deutsch-Lehrkraft in Absprache mit der für die jeweilige Klassenstufe zuständigen Koordinatorin in der Schülerakte dokumentiert.
Bei schriftlichen Leistungsüberprüfungen lesen Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer in den Klassen mit LRS-Kindern (möglicherweise auch nur den betroffenen Schülerinnen und Schülern) die Aufgabenstellung bzw. die Textvorlage laut vor.
Laut Erlass ist der Nachteilsausgleich in begründeten Einzelfällen, so auch bei diagnostizierter signifikanter Lese- Rechtschreibschwäche, auch auf Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe anzuwenden (s. dazu die Handreichung für Lehrkräfte am JJG, Stand 28.8.2019). Wie in der Erprobungsstufe gilt auch hier die Diagnose der Schule, also der Deutschkolleginnen und –kollegen, bei Rücksprache mit Frau Paeßens , oder eine vorliegende Testung von offiziell anerkannten Stellen als Entscheidungsgrundlage.
Die Erprobungsstufenkoordinatorin gibt die Informationen über diese Schülerinnen und Schüler am Ende von Klasse 6 an die Mittelstufenkoordinatorin weiter. Diese informiert die Klassenlehrer/innen, die die Fachlehrer/innen in geeigneter Weise in Kenntnis setzen. Bei signifikanten Lese-Rechtschreibschwierigkeiten wird die Rechtschreibleistung in Deutsch und in den Fremdsprachen weiterhin in nur eingeschränktem Maße berücksichtigt, falls der betroffene Schüler bzw. die betroffene Schülerin mit nachgewiesenen signifikanten LRS-Problemen an den Fördermaßnahmen teilnimmt (s. dazu aber auch die Handreichung für Lehrkräfte am JJG vom 28.8.2019).
Ziel sollte es jedoch sein, den Nachteilsausgleich ab Klasse 7 „mit Augenmaß abzubauen“.
Zudem besteht für betroffene Schülerinnen und Schüler auch der Mittelstufe die Möglichkeit zur Teilnahme an der hausinternen Förderung durch Frau Paeßens.
Wurde am JJG keine Lese- Rechtschreibstörung diagnostiziert, kann – laut Erlass – auf Antrag der Eltern dennoch der Nachteilsausgleich gewährt werden, wenn eine offiziell anerkannte außerschulische Testung vorliegt.
Für die Sekundarstufe II ist eine Aussetzung der Rechtschreibnote in den KMK-Empfehlungen vom 15.11.2007 nicht vorgesehen, da sie ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung (Beibehaltung der Standards) darstellen würde. Der grundsätzliche Anspruch auf einen Nachteilsausgleich bleibt davon jedoch unberührt, deshalb muss die Oberstufenkoordinatorin grundsätzlich von der Mittelstufenkoordinatorin über Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, die in die Oberstufe übertreten, informiert werden.
Da der sog. LRS-Erlass aber noch nicht den organisatorischen Gegebenheiten der G8-Gymnasien angepasst wurde, legt die Schulleitung (in Absprache mit zuständigen Stellen bei der Bezirksregierung) folgende gestaffelte Einführung der Rechtschreibbenotung für die Einführungsphase fest:
In begründeten Ausnahmefällen (signifikante, nicht behebbare LRS, die bereits in der Sekundarstufe I diagnostiziert und bei der Bewertung der Rechtschreibleistung berücksichtigt wurde) wird im Fach Deutsch in der 1. Klausur der EF bis zu 1 Punkt von 3 möglichen Punkten für Rechtschreibung abgezogen, in der 2. Klausur der EF bis zu 2 Punkte. Für die Klausuren 3 und 4 des 2. Halbjahres der EF können dann, wie vorgesehen, bis zu 3 Punkte abgezogen werden. Die Fremdsprachen passen sich bei den Abzügen für die Sprachrichtigkeit der gewählten Staffelung (bis zu 1/3, bis zu 2/3, ganze Punktzahl) an. Für alle anderen Fächer gilt: Im 1. Halbjahr der EF kann bis zu 1 Punkt, im 2. Halbjahr, wie vorgesehen, bis zu 2 Punkte abgezogen werden.
Grundsätzlich wird den diagnostizierten Schülerinnen und Schülern sowohl in der Einführungsphase als auch in der Qualifikationsphase eine 15 Minuten längere Zeit bei Klausuren eingeräumt, die die Benachteiligung bei der Lesegeschwindigkeit und der Rechtschreibleistung ausgleichen soll. Die Zeit ist daher mindestens zur Hälfte für die Überarbeitung der Klausur vorgesehen, nicht als längere Schreibzeit. Die aufsichtführenden Kolleginnen und Kollegen müssen darauf achten, dass nach spätestens 7 Minuten Verlängerung mit der Überarbeitung begonnen wird. Der Überarbeitungsprozess ist durch die Benutzung eines andersfarbigen Stifts deutlich zu machen.
In zentralen Klausuren (EF und Abitur) wird zur Gleichbehandlung der Prüflinge die Rechtschreibleistung gewertet und es dürfen auch keine anderen Aufgaben gestellt werden. Die Schule kann jedoch bei besonders schwerer Beeinträchtigung des Lesens und Schreibens auf Antrag der Erziehungsberechtigten im Einzelfall einen Nachteilsausgleich für die Prüfungen einer Schülerin oder eines Schülers bei der Bezirksregierung beantragen. Die Bezirksregierung entscheidet, ob und in welcher Form ein Nachteilsausgleich gewährt wird. Ein erfolgter Nachteilsausgleich wird nicht als Bemerkung ins Abschlusszeugnis aufgenommen.
Bedingung für die Gewährung des Nachteilsausgleichs ist der Nachweis der Schule, dass der LRS-Erlass bisher durchgängig zur Anwendung kam, d.h. dass eine kontinuierliche schulische Förderung oder eine professionelle außerschulische Förderung und eine Berücksichtigung bei der Leistungsbeurteilung stattgefunden hat.